Kloster Lehnin – Hohennauen, 7. Juni, 96 km
Trotz bester Partylaune und Freibier habe ich noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. So kommt es, dass ich heute rechtschaffend müde aber ohne Brummschädel erwache.
Traugott hatte geplant, dass wir im benachbarten Künstlercafe frühstücken, aber dort ist alles dicht. So gibt es nur ein paar Kekse und Cornflakes, aber wenigstens Kaffee.
Während die Kinder im Klostersee planschen, halten Daniela, Traugott und ich noch ein Pläuschchen. Ich bin träge und kann mich irgendwie kaum aufraffen. Laufen fällt auch schwer, da die Achillessehnen immer noch schmerzen. Das kann ja heiter werden 🙁 .
Aber irgendwann raffe ich mich doch auf und packe meine Plünnen.
Schon kurz nachdem ich losgefahren bin, merke ich, dass es richtig gut läuft. Ich komme flott voran. Obwohl ich noch heftige Schmerzen in den Beinen habe. Auch mein Problem im verlängerten Rücken meldet sich wieder. Da hat mich mittlerweile ganz schön der Wolf gebissen.
Dennoch strample ich Kilometer um Kilometer einfach so weg.
In Jeserig, kurz vor Brandenburg, passiert es dann. Ich lege meinen ersten Sturz der Tour hin. Und was für einen! In flotter Fahrt versuche ich die Schaltung nachzujustieren (die braucht dringend Öl). Dabei verreiße ich den Lenker und lande mit einer Art Kopfsprung im Graben. Bei Tempo 28!
Nachdem ich dort wie eine Bombe eingeschlagen bin, sortiere ich erst mal wieder mich und mein Fahrrad. Ich bin heilfroh, wie üblich, mit Helm gefahren zu sein. Der hat einige Schrammen abbekommen und der Sonnenschirm ist abgebrochen. Da hab‘ ich noch mal Schwein gehabt! Ich habe nur einige kleine Schrammen (habe ja inzwischen ausreichend Sturztraining hinter mir). Das Fahrrad ist nur voller Gras und Sand. Sonst nix.
Und weiter! Brandenburg durchfahre ich recht zügig. Hier war ich schon auf Paddelboottour.
Auf schönen, asphaltierten Waldwegen geht es um Breitling- und Möserschen See. Später dann nach Plaue am Plauer See. Ab hier folge ich, mehr oder weniger nahe, dem Lauf der Havel.
Bis Havelsee muss ich allerdings auf der stark befahrenen Landstraße, ohne Radweg, fahren. Kein Vergnügen. Auch im weiteren Verlauf ist dies immer wieder der Fall.
Noch besser wird es zwischen Bahnitz und Jerchel. Ein Betonschwellenweg mit unangenehmen Absätzen. Im Dreiviertelmetertakt werde ich durchgerüttelt. Das ist die Hölle für meinen Hintersten.
In den hat sich mittlerweile ganz böse der Wolf verbissen. Während ich auf dem Sattel von einer Seite zur anderen rutsche, um zumindest ein wenig Linderung zu finden, biege ich um eine Kurve und lande in einem Sandloch. Tolle Routenführung! Zumindest kann ich die letzten 800 m zum Ort auf dem Gras neben dem Weg fahren, sonst hätte ich schieben müssen.
Ich habe über 60 km hinter mir und Hunger, aber in Jerchel gibt es keine Gaststätte. Da muss ich halt weiter suchen. Schon seit dem Morgen ballen sich dunkle Wolken am Himmel und es sieht nach Gewitter aus. Kurz vor Premnitz gerate ich dann auch in einen Platzregen, aber danach bleibt es trocken. Erst in Mögelin (kurz vor Rathenow) finde ich einen Gasthof. Schon in den vorangegangenen Tagen hatte ich immer wieder Probleme einen geöffneten Gasthof zu finden. Ich musste oft weiter fahren, um etwas zu essen zu bekommen. Dann durchfahre ich Rathenow mit seiner schönen Altstadt. Auch hier war ich schon. Somit halte ich mich nicht lange auf.
Über Semlin erreiche ich dann endlich mein Tagesziel – Hohennauen. Auf dem Campingplatz werde ich ausgesprochen nett von dem Betreiberehepaar empfangen, aber auch von den Mücken. Die finden mich wieder mal zum Anbeißen. Immerhin finde ich Erfrischung beim Bad im Hohennauener See.
Nach einem Abendmal im Gasthof „Pille Palle“ liege ich nun hier im Zelt, auf der Flucht vor den Mücken, und schreibe meine zwei Tagesberichte.
Es wird aber auch höchste Zeit für den Schlafsack. Mir fallen schon immer wieder die Augen zu. Morgen geht es nach Sandau bei Havelberg. Dort wohnen meine Eltern und ich werde einen Ruhetag einlegen und versuchen meinen Wolf zu besänftigen.
Hallo Piet,Deine Tagesberichte sind sehr interessant und laden zum schmunzeln ein.Ich kann mir gut vorstellen, wie Du Dir am Abend Deine wunden Stellen cremst.Trotzdem halte durch,alle Achtung vor Deiner sportlichen Leistung.Warum begleitet Dich niemand?Sportliche Grüsse Dorett
Hallo Dorett,
danke für Lob und Mitgefühl.
Dass ich allein fahre, liegt zum einen an meinem Singledasein (bitte kein Mitleid 🙂 , hat alles seine Licht- und Schattenseiten ) und zum anderen daran, dass sich unter meinen Freunden keine Langstreckenradler befinden. Und mal im Ernst. Wem soll man eine solche (Tor) Tour denn schon zumuten? Erst recht nicht der Frau die man liebt.
Allerdings bin ich für jeden Spaß zu haben und habe nichts gegen Mitradler. Ich bin also keinesfalls ein Einzelgänger oder Eigenbrötler. Im Gegenteil sogar sehr gesellig und kontaktfreudig. Auch bin ich ja nicht völlig aus der Welt. Oft telefoniere ich mit meinen Freunden und Familie und halte sie auf dem laufenden.
Als Alleinreisender bekommt man meist auch viel besser Kontakt zu den Menschen. Sie gehen eher auf einen zu und ich bin so auch offener.
Eigentlich bin ich fast nie allein.