Fromborg – Siline(Litauen), ca. 500 km

Es dauerte, bis ich endlich einschlafen konnte. Die beiden Nachbarbungalows waren randvoll mit ebenso randvollen Polen und die waren offenbar wild entschlossen, die Hütten auseinander zu nehmen.

Aber irgendwann hatte ich dann meine Ruhe. Und wieder ein strahlend schöner Morgen mit Sonne und blauem Himmel. Ich fuhr noch in den Ort, um die Burg auch bei Tageslicht fotografieren zu können. Die Sonne stand mir leider genau auf der Linse und von der anderen Seite gab es keinen guten „Fotoblick“. Einen Rundgang machte ich nicht. Ich bin nicht der Sightseeing- und Bummeltyp, wenn ich allein unterwegs bin.

Nun brauchte ich dringend eine Tankstelle. Gestern hatte ich zwar erst bei legendären 287 km auf Reserve schalten müssen. Aber das war nun auch schon über 20 km her. So ein Navi ist doch was tolles. Es sagt dir genau, wo die nächste Tanke ist. In meinem Fall war das tolle Teil der Meinung, genau vor dem Tor des Campingplatzes von dem ich kam, wäre eine Orlen-Tanke. Nö! Da war nur Acker. Der nächste Versuch, zwei Orte weiter, war auch ein Schuss in den Ofen. Dafür gab es 500 m weiter eine Tankstelle, die das Navi nicht kannte. Egal. Hauptsache Sprit.

Als ich weiterfuhr, sah ich kurz vor Braniewo zwei Radfahrer, die mir doch sehr bekannt vorkamen. Die beiden Schwaben von gestern, die ich auf der Fähre getroffen hatte. Flottes Tempo haben sie ja. Machen so an die 150 km am Tag. Ich fuhr eine Zeit lang als Escort-Fahrzeug nebenher und wir unterhielten uns noch etwas. Sie wollen nun doch nach Russland. Visum haben sie keins. Das ließe sich wohl problemlos mit einer Handvoll Rubel oder Euro erledigen. Na ja, rein bestimmt. Aber die Ausreise? Mit dem Motorrad brauche ich so etwas gar nicht erst versuchen.

Wir verabreden uns aus Scherz für Nida. Wer weiß, wer weiß…. In Braniewo erlebe ich erneut die Tücken des Navi. Die einzige Straße in meine gewünschte Richtung ist gesperrt. Ich suche einen Ausweg, während mich das Navi immer wieder durch den Kreisverkehr zu dieser Straße schicken will. Irgendwann verbiete ich genervt dem Fräulein vom GPS den Mund und da fällt mir auch das Hinweisschild auf: Objazd. Ja, jetzt weiß ich, dass es Umleitung heißt 🙂 … wieder was gelernt. Die Umleitung stellt sich als seeeehr weiträumig heraus. Aber ich mache aus der Not eine Tugend und finde später einen günstigen Weg zu meiner geplanten Route. Dank Karte!

Jetzt geht es wieder gut voran und meine inzwischen schlechte Stimmung, hebt sich nun deutlich. Kołobrzeg durchfahre ich zügig, da mich die Wolfsschanze eher nicht so interessiert. Dafür genieße ich umso mehr die schönen Straßen und vor allem eine wirklich tolle Landschaft mit hübschen Dörfern und vielen Seen. Allerdings komme ich immer wieder über längere Strecken auf Asphaltstraßen mit mehr Schlaglöchern als Bäumen. Obwohl ich recht vorsichtig fahre, haut es mich immer wieder in so ein Loch und die Maschine hat arg zu leiden.

Rund um Węgorzewo kann ich mir schon mal einen ersten Eindruck von den Masurischen Seen machen. Und das macht echt Lust auf mehr. Wirklich toll. Immer wieder komme ich an liebevoll mit Blumenbeeten und Vorgärten geschmückten Bauernhäusern vorbei. Ich muss sagen, hier gefällt es mir wirklich. Und dann überquere ich bei Budzisko die litauische Grenze. Davon ist aber kaum was zu merken. Lediglich die alten Abfertigungsgebäude erinnern noch an die Zeit vor der EU. Von der einspurigen Autobahn verabschiede ich mich dann nur zu gern bei Kalvarija. Ich fahre nach Westen zur russischen Grenze, um dann so nah wie möglich daran nach Norden zu kommen. Verrückterweise hat sich die Landschaft und die ganze Stimmung schlagartig komplett geändert. Offene Feldlandschaft mit erst mal eher wenig Wald. Auch die Häuser sind komplett anders. Immer wieder fallen mir die typisch skandinavischen Holzhäuser ins Auge.

Hinter Kudirkos-Naumiestis wende ich mich von der gut asphaltierten Hauptstraße ab und folge einer kleinen Piste, die schon bald in Schotter übergeht. Da hab ich es. Hatte mich schon darauf gefreut und auch etwas davor gefürchtet. Immer wieder muss ich im Stehen fahren, um die Schlaglöcher und das Schlingern besser abfangen zu können. Der Hintern freut sich, die Waden eher weniger. Zwischen 30 und 90 km/h kann ich fahren. Die Verhältnisse wechseln sehr stark. Aber es macht echt Spaß. So langsam habe ich aber genug. Nur ist hier weit und breit nichts zu sehen, wo ich mein Zelt aufschlagen könnte. Kein Campingplatz und nirgends ein Anzeichen für Zimmervermietung oder Pension. In den wenigen Waldstücken liegen Grenzsoldaten mit ihren Jeeps auf der Lauer. Es sind ja nur wenige hundert Meter bis anderthalb Kilometer zur russischen Grenze.

Zum Glück komme ich doch recht gut voran und nutze die Gelegenheit als an der Straße, kurz vor Jurbarkas eine Unterkunft ausgeschildert ist. Das Anwesen sieht toll aus und ist offenbar mit Geldern eines EU-Projekts erbaut worden. Tolle Holzhäuser. Ein junger Mann kommt mir freundlich entgegen und begrüßt mich mit Handschlag. Da ich kein Wort Litauisch kann, halte ich mich strikt an die Vorgaben meines Reiseführers. Erst Deutsch! Kann er nicht 🙁 Dann Englisch! Geht auch nicht 🙁 Und erst dann, aber auch wirklich erst dann, Russisch! Bingo. Oder besser, Harascho! Das kann er. Und schon kann er mir klar machen, dass nix geht. Er arbeitet hier nur als Aushilfe. Aber er ruft noch seine Chefin an und die verweist mich auf ein weiteres Domizil 3 km weiter. Da fahre ich kurz auf den Hof. Sieht auch wirklich toll aus. Nur bemerke ich in diesem Moment, dass ich nicht eine einzige Lita in der Tasche habe. Könnte nur mit Karte zahlen. Ob das geht? Ich probiere es gar nicht erst, sondern fahre nach Jurbarkas und „kaufe“ erst mal etwas Geld.

Dann schaue ich in mein Navi nach dem nächsten Zeltplatz. 13 km in die falsche Richtung, aber was soll’s. In Siline finde ich dann einen der schönsten Zeltplätze, die ich bisher gesehen habe. Definitiv in den Top 5. Klein, aber urgemütlich und sehr gepflegt. Ich bekomme ein nettes Zimmer nebst Dusche und Küche, eine Treppe tiefer. Für knapp 12 €. Da lohnt es sich nicht mal das Zelt auszupacken. Der Campingplatzchef spricht recht gut Englisch und nachdem klar ist, dass die nächste Gaststätte 15 km weg ist, beschließe ich zu kochen. Meine Vorräte will ich noch schonen und auch frisches Brot könnte ich brauchen. Also erklärt er mir, wo im nächsten Ort der Laden ist und ich fahre hin.

Campingplatz Medaus Slenis (Honigtal) bei Siline

So ein richtig toller Tante Emma Laden mit gut gefüllter Wurst- und Fleischtheke. Ich lasse mich von den gut aussehenden „Bockwürsten“ hinreisen und mache der Verkäuferin klar, dass ich zwei von dieser und zwei von jener Sorte haben möchte. Habe ja seit Früh nix mehr gegessen. Sie verzieht theatralisch das Gesicht und bedeutet mir, dass sie dringend von den Würsten abrät, da sie nicht gut schmecken. Ich gucke wohl ziemlich bedeppert aus der Wäsche. Da greift ein Mann mit leidlichem Englisch ein und sagt mir, dass die Würste nichts für meinen Geschmack seien. Er empfiehlt mir zwei andere, große Würste und rät mir diese zu braten. Die sind ganz toll!!! Die Verkäuferin ist mit seiner Empfehlung voll und ganz einverstanden. Und ich inzwischen auch. Ich krame dann noch Brot und Ketchup aus den Regalen (gut riechendes, dunkles Brot, bin echt mal auf den Geschmack gespannt). Und natürlich gehen noch zwei Sorten Bier mit, da ich ja auch gekommen bin, die hochgelobten baltischen Biere zu testen. Um es kurz zu machen, Bier und vor allem die Bratwürste sind sehr gut. Aber immer noch schmunzel ich und lache in mich hinein, wenn ich an diesen obskuren Einkauf denke.

Ich sitze jetzt auf dem Balkon vor meinem Zimmer. Mit Blick auf den kleinen See und die überdachte Lagerfeuerstätte gegenüber. An dieser sitzen die Campingplatzinhaber mit einigen befreundeten Familien und haben viel Spaß. Gäste sind keine auf dem Platz. Hier ist die Saison schon zu Ende. Aber für mich geht es jetzt erst richtig los. Ich bin im Baltikum. 🙂 Erster Eindruck: Litauen: Sehr, sehr nette Menschen!

Video

Über die litauische Grenze

Und hier der Tourverlauf des heutigen Tages:

30_08_2012

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