Riga – fast Tallinn, ca. 520 km oder Odyssee in Estland

Die Nacht war schnell vorbei und schon sah ich mich wieder beim packen und Motorrad beladen. Aufgeregt wie immer, wenn es auf eine neue Etappe geht. Noch ein herzlicher Abschied von Michael und der Hostel Crew (die Mädels sind wirklich Spitze und führen den Laden mit viel Herz und guter Laune). Und schon machte ich mich wieder auf die Straße.

Allerdings bei mäßigem Nieselregen. Jedoch nicht so stark, dass ich die Gummisachen gebraucht hätte. Kurz vor dem Ortsausgang von Riga, sah ich dann auch den ersten mobilen Blitzer seit Beginn meiner Tour. Aber ich war ja brav und so hatten die Polizisten leider kein Photo für mich….

Vor der estnischen Grenze fing es dann aber doch stärker an zu regnen, so dass ich auf der Autobahn an eine Bushaltestelle fuhr, um mir die Gummiüberzieher anzutun. Ja. Auf der Autobahn. Die Autobahnen sind hier einspurig und es gibt nicht nur Bushaltestellen, nein auch Pferdefuhrwerke und Radfahrer sind hier unterwegs. Ein ganzer Teil des R1 Europaradweges nach St. Petersburg, geht auch über Autobahnen. Dann gab ich noch einen Teil meiner verbliebenen Lati an der Tanke aus und schon war ich im nächsten Land.

Erstmal kaum was Neues. Aber irgendwann fiel mir schon auf, dass sich die Häuser verändert haben und der Anteil der Birken in den Wäldern wurde auch immer größer. Nach Pärnu kam ich endlich wieder auf die Landstraße. Es war noch früher Mittag und bis Tallinn nur noch 350 km. Ich wollte aber heute nicht bis dorthin. Da kam es mir sehr recht, dass der Regen nachließ und ich auf herrlichen Landstraßen durch eine schöne Landschaft fuhr. Das lud geradezu zum bummeln ein. Ständig waren Campingplätze ausgeschildert, so dass ich mir um meine Übernachtung keine Sorgen machte. Außerdem wollte ich heute mal mein Glück mit wildcampen versuchen. An einer schönen kleinen Kirche hielt ich an, um ein paar Bilder zu machen und zog mir die Gummisachen aus. Kurz danach bog ich wieder in eine kleine Seitenstraße ein und landete auf einer Schotterpiste, die nun allerdings stark schlammig war. Ross und Reiter bekamen reichlich von der Brühe ab, aber das Fahren machte trotzdem Spaß. Nun sieht die Maschine wirklich wie eine Enduro aus. 🙂

Hinter Haapsalu nahm ich dann die küstennahe Straße, die auch wieder dem R1 folgt (oder umgekehrt). Auch hier verschlug es mich immer wieder auf Feldwege, da ich mich nicht an meine geplante Route hielt, sondern dem R1 nachfuhr. Das machte richtig Spaß und ich sah so immer wieder das Wasser. Dann fing ich an, nach einem Platz für das Zelt zu suchen. Stieß aber immer wieder auf Gehöfte. Irgendwann fand ich einen Weg, der direkt am Strand entlang führte und dann ca. 150 m nach einer kleinen Hütte endete. Da war der perfekte Platz. An der Hütte stand allerdings ein Schild mit der Aufschrift „Eramaa“. Das hatte ich schon einige male gesehen und ich fragte lieber erst mal Google was das heißt. Privateigentum! Shit.

Also weiter. So nahe an dem Grundstück war es mir zu heikel. Ich machte noch einige Abstecher an die Küste. Und kurz vor Paldiski bog ein Weg genau zum Strand ab, der sehr verlassen aussah. Ich also wieder auf die Piste. Mit etwas zu viel Elan. Denn auch dieser Weg war sehr sandig und so wurde ich bei knapp 40 km/h abrupt durch eine Sandkuhle ausgebremst. Es folgte eine mehr oder weniger elegante Rolle nach vorn rechts und die Fuhre landete diesmal sehr unsanft auf dem Boden. Der rechte Koffer kam mir entgegen und als ich die Maschine hochwuchtete sah ich, dass es diesmal nicht ganz ohne Schaden abgelaufen war. Der rechte Spiegel hat jetzt ein Tiffany-Mosaikmuster und an der Verkleidung sind einige kleine Schrammen. Wirklich ärgerlich und auch nicht schön aber eher Bagatellen. Auch diesmal hatten der Motorschutzbügel und die Handschützer ganze Arbeit geleistet. Ohne den guten Handschützer wäre der Handbremshebel ab gewesen. Wo ich nun schon mal hier war und so viel investiert hatte, sah ich mich nach einem Platz für die Nacht um.

An einer kleinen Mole lagen einige kleine Boote. Sonst weit und breit nix. Aber kein Baum und kein Strauch der vor dem heftigen Seewind schützte. Sehr unangenehm. Jetzt hatte ich nun wirklich die Nase voll. Und weit und breit war schon seit einiger Zeit kein einziger Campingplatz mehr angezeigt. Auch das Navi sagte mir, dass der nächste noch mindestens 30 km weit weg wäre. Laut Navi könnte ich gegen 18:00 Uhr in Tallin sein. Sch… drauf. Also los. Ca. 45 km vor Tallinn dann doch ein Schild, das zu einem Campingplatz mit Zimmern und Gaststätte wies. Also rechts rein und … nee, nee…. Obwohl auf dem Gelände gähnende Leere herrschte, stand da ein Schild „Sorry, full House!“. Die spinnen, die Esten.

Weiter, weiter… 1,5 km danach dann ein Schild mit Zeltzeichen, das aber anders als die üblichen aussah. Nach den angegebenen 350 m in den Seitenweg aber nur eine Hinweistafel mit Karte. Aaaaahhhh …, ja. Das ist also mal so ein Gebiet mit angelegten freien Zeltplätzen nebst Feuerstätte usw.. Ich fuhr noch ein Stück und fand einen tollen Platz, nur 50 m vom Meer entfernt und mit allem was der Camper braucht. Inklusive überdachter Sitzbänke, Lagerfeuerkamin (mit Holz) und 50 m im Wald ein Plumpsklo. Und ein Traumstrand vor der Tür. Na, endlich. Erst mal war ich aber nicht so ganz alleine, da immer mal Autos mit Hundebesitzern kamen die ihre Vierbeiner hier an den Strand führten. Jetzt ist es aber ruhig. Bis auf den Wind. Aber durch die Bäume bin ich schon deutlich besser geschützt. Und zur Krönung des Tages gab es vorhin noch eine Riesenportion Bratkartoffeln mit Schinkenknackern und einen sensationellen Sonnenuntergang über dem Meer. Ende gut….

Hier die GPS Daten der Tagesetappe:

03_09_2012

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